Ruhrgebiet von oben: Erzbahntrasse zur Halde Hoheward

Bochum-Langendreer – Bochum-Zentrum – Jahrhunderthalle – Erzbahntrasse bis zum Rhein-Herne-Kanal – Zeche Ewald – Halde Hoheward – auf selbem Weg retour (62 km, als GPX herunterladen)

Wenn der Wettermann Anfang April mit Sonnenschein und zwanzig Grad so dermaßen einen gucken lässt und ich auch spontan noch einen Tag Zeit habe, muss ich ja aufs Fahrrad steigen. Der Kilometerstand fürs laufende Jahr ist noch überschaubar, also darf es ruhig etwas mehr werden als nur die Standard-Runde um den Kemnader See: Ich entscheide mich für die Halde Hoheward in Herten. Die ragt einhundert Meter aus der Umgebung auf und bietet – entsprechende Fernsicht vorausgesetzt – einen wahnsinnigen Ausblick über das gesamte Ruhrgebiet.
Meine letzte Tour nach Herten ist drei Jahre her, seinerzeit hatten wir dort spektakuläre Aufnahmen mit der Drohne gemacht. Eine solche habe diesmal ich nicht dabei, aber in Erwartung guter Fernsicht habe ich mal die “große” Kamera mitsamt Teleobjekt eingepackt. Scheint ja schließlich bei blauem Himmel die Sonne!

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Die Erzbahnschwinge an der Jahrhunderthalle: Das südliche Ende der Erzbahntrasse

Über die Wittener Straße fahre ich in die Bochumer Innenstadt. Der morgendliche Berufsverkehr ist längst durch, so geht das ganz entspannt. Gerät man hier aber ins Rushhour-Gewühl, kann diese Strecke echt nerven. Und die Stadt weigert sich hartnäckig, hier mal eine echte Infrastruktur für Freizeit- und Pendel-Radler herzustellen. Also muss man selbstbewusst auf der Straße mitschwimmen – ich für meinen Teil fahre mittig auf der rechten der beiden Fahrspuren. Damit verhindere ich, dass überholende Autofahrer auf einen Spurwechsel verzichten und sich dadurch viel zu knapp an mir vorbeipressen.
(Ach, wie schön wäre es doch auf dem autofreien Radschnellweg RS 1, der mich entlang der S-Bahn-Trasse in die Innenstadt bringen könnte! Aber der ist, zumindest hier in Bochum, seit inzwischen mehr als zehn Jahren (!) nicht mehr als ständig wiedergekäutes städtisches Marketing-Geblubbel.)

An der Jahrhunderthalle wechsele ich dann vom Innenstadtgewühl auf ein entspanntes Radweg-Radeln. Hier beginnt mit der schicken “Erzbahnschwinge” die Erzbahntrasse in Richtung Gelsenkirchen. Wo einst das Erz in langen Zügen vom Rhein-Herne-Kanal zum Bochumer Verein gefahren wurde, zieht sich nun ein sauber asphaltierter Radweg durch die Landschaft, bestens zu befahren mit Touren- und Sport-Rädern gleichermaßen. Ich bin heute auf dem Mounti unterwegs, aber das ist auf jeden Fall auch eine offene Position auf der Rennrad-Liste!
Erst kurz vorm Kanal-Hafen Grimberg, also schon in Gelsenkirchen, wird aus dem schönen Asphalt wieder eine wassergebundene Oberfläche (ganz schön staubige Angelegenheit, wenn die Sonne scheint). Hier würde die Rennrad-Freude wohl enden, aber vielleicht ließe sich von hier ja auf Straßen weiterfahren.

Auf der anderen Kanalseite biege ich noch nicht direkt in Richtung Halde Hoheward ab, sondern bleibe noch am Kanal. Ich will noch einmal zurück ans südliche Ufer wechseln und sehen, was von der Zeche “Unser Fritz I” noch zu sehen ist. Leider vergurke ich mich dann komplett und lande im Gewerbegebiet. Mist, Sackgasse!
Später stelle ich fest, dass ich nur einmal hätte anders abbiegen müssen. Wusste ich vor Ort aber nicht, und machte mich auf den Weg zur Halde. Beim nächsten Mal!

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Zeche Ewald in Herten. Vor Corona war hier mal eine Gastronomie mit Steaks und Bier :(

Unterhalb der Halde Hoheward liegt die ehemalige Zeche “Ewald”. Ich rolle erst einmal entspannt durchs Zechengelände, wo der größte Teil der Gebäude schon längst nicht mehr steht. Aber auch die verbliebenen Bauten beeindrucken mich durch ihre schiere Größe, und ich kann nur erahnen, mit welch staubigem Puls hier dereinst wohl das Herz des Ruhrgebiets geschlagen haben mag.

Dann schraube ich mich endlich auf die Halde hinauf, das eigentliche Ziel meiner Reise. Das sind von der Zeche Ewald nochmal einhundert Höhenmeter. Oben raste ich ausgiebig – und bin ein bisschen enttäuscht: Das mit der tollen Fernsicht wird diesmal nix. Obwohl der Himmel blau ist und die Sonne scheint, ist die Luft trüb und diesig. Die Innenstadt von Bochum, “nur” zehn Kilometer Luftlinie entfernt, ist nur zu erahnen. Schade, das Teleobjektiv kann ich also eingepackt lassen. Aber natürlich ist es trotzdem ein tolles Gefühl, hier oben zu stehen. Macht man sich als Zugereister klar, auf was man da gerade steht (Millionen Tonnen Abraum aus dem Bergbau) und auf was man herabschaut (eine komplette Metropolregion auf Basis eben jenes Bergbaus), ist man der Seele des Ruhrgebiets ein ganzes Stück näher gekommen.

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Blick von der Halde Hoheward: Heute leider ohne tolle Fernsicht, aber immer noch spektakulär.

Ich bleibe ziemlich lange auf der Halde und genieße diesen sehr speziellen Ort. Irgendwann muss ich dann aber wieder los, ich habe ja erst die halbe Strecke hinter mir! Vorbei an Zeche Ewald und über die Emscher komme ich wieder zum Rhein-Herne-Kanal, wo die Brückenkonstruktion “Grimberger Sichel” das Nordende der Erzbahntrasse markiert. Von nun an gehts wieder ziemlich eben auf Asphalt voran, aber ich spüre (nach inzwischen 45 Kilometern Strecke) nun sehr deutlich meine Oberschenkel. Ist halt doch noch nicht so weit her mit meinem Trainingsstand dieses Jahr. Also mache ich an einer der zahlreichen Bänke entlang der Trasse noch eine längere Pause, bevor ichs dann wieder angehe.

An der Jahrhunderthalle in Bochum folgt dann wieder der harte Wechsel ins Innenstadt-Gewühl, wo ich mich wieder selbstbewusst behaupte. Innenstadtring, Wittener Straße, ab nachhause. Dort genieße ich, was ich nach jeder Tour so gern genieße: Kalte Cola, Sonnenbrand und schwere Beine – saugeile Runde!