Fahrradtouren auf dem Darß: Grande Finale - Die große Bodden-Runde

Darß: Im Uhrzeigersinn um Bodstedter und Saaler Bodden.
Zingst - Pruchten - Bodstedt - Saal - Damgarten - Ribnitz - Dierhagen Dorf - Wustrow - Ahrenshoop - Born - Wieck - Prerow - Zingst (91,2km, als GPX herunterladen)

Und es begab sich zu einer Zeit, dass der Wettermann sprach: Ich schenke euch einen ganzen Tag voll Sonne, nutzet ihn zu eurer Gunst. Und die Menschen verstanden; und der, den sie schickten, der hatte ein blaues Fahrrad, und unten am Kopfe trug er einen stattlichen Bart.

So steht es schon in den alten Schriften! Naja, oder so ähnlich. Jedenfalls hatte der Wetterbericht tolles Wetter versprochen, und da ich sowieso am liebsten den ganzen Tag auf dem Fahrrad herumlümmele, gehe ich mein lang ersehntes Urlaubsfinale an: Einmal aufs Festland, den Barther und den Saalstedter Bodden umrunden und über Fischland wieder zurück auf den Darß. Vom Himmel prasselt die Sonne, dass es nur so eine Freude ist, nur der Wind geht recht ordentlich von Westen. Ich verlasse den Darß auf inzwischen wohlbekannten Pfaden über die Meiningenbrücke und biege in Pruchten nach Westen ab. Hier beginnt unbekanntes Terrain, aber ich bin frohen Mutes dank meines GPS-Helferleins am Lenker und der Fahrradkarte im Gepäck.

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Schön ists im Wald bei Neuendorf.

Ich bin nun auf dem Radwanderweg “Östliche Backstein-Route” (ÖBR) unterwegs, bekomme aber den Tipp von einem einheimischen Radler: Fahr lieber durch den Wald nach Neuendorf, das ist die schönere Strecke. Ich folge seinem Rat, und es lohnt sich. Still ists im Wald, angenehm schattig und wirklich schön zu radeln. Dann folge ich wieder der ÖBR und komme nach Saal, wo mich ein kleines Brückenstück neugierig macht. Die alten Schwellen auf der dahinrostenden Konstruktion deuten auf eine Eisenbahnstrecke hin, die hier wohl mal entlangführte; für Regelspur sind sie aber zu schmal. Ein paarhundert Meter weiter, auf einem Radweg, der verdammt nach einer alten Bahntrasse aussieht, treffe ich dann einen Ortsansässigen, den ich freundlich frage. Er erzählt mir mit leuchtenden Augen von den Zeiten, als hier noch die Eisenbahn die Rüben nach Barth brachte (und abends die Bauern aus der Kneipe nachhause). Der Radweg liegt tatsächlich auf der alten Trasse der Franzburger Kreisbahnen, die meterspurig von Damgarten über Saal nach Barth führte. In den Sechzigern sei die Strecke dann aber stillgelegt worden, erzählt er mir, und aus dem Saaler Bahnhof ist das Gemeindehaus mit Kindergarten geworden ‒ unter anderem durch seiner Hände Arbeit. Ein Stück weiter steht in Kückenshagen an der Molkerei noch ein altes marodes Bahngebäude, gibt er mir noch mit auf den Weg. Und tatsächlich, nach Jahrzehnten ist immer noch zu sehen, dass hier weiland eine Bahn entlangzuckelte.

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Im Hafen Ribnitz

Über Damgarten erreiche ich dann Ribnitz (was, wie ich lernte, übrigens nicht “Riebnitz”, sondern “Ribbnitz” gesprochen wird) und mache am Hafen eine kurze Mittagsrast. Am Ribnitzer See entlang geht es dann weiter in Richtung Dändorf. Immer wieder schmunzele ich über die kreativen Radwegweiser: Einfach die Ortsnamen und Entfernungsangaben auf einen großen Findling pinseln, auch sowas schmückt eine Radroute! Offenbar hatten die Urheber dabei mächtig Spaß, denn neben den eigentlichen Wegweisern findet man dann auch Kuriositäten wie die extra beschilderte “Opi-Wolter-Kurve”: “Zu Ehren von Opi Wolter, der hier die Kurve nicht bekam”. Ein amüsierendes Gedankenspiel, wie es wohl dazu gekommen sein mag…
Ich habe inzwischen die Östliche Backsteinroute verlassen und befinde mich auf dem Fischland-Darß-Zingst-Rundweg. Immer am Bodden entlang, erreiche ich über Dändorf Dierhagen. Dort gönne ich mir am Hafen ein herzhaftes Fischbrötchen und fülle die Zuckerspeicher mit Cola neu auf.

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Pause in Dierhagen: Fischbrötchen am Hafen

In Dierhagen komme ich nun wieder an die Ostsee und biege auf den Ostseeküsten-Radweg ein. Bisher hatte ich oft und viel Gegenwind, das ändert sich nun ‒ ich komme verdammt flott voran. Ich jage über Wustrow bis Ahrenshoop, wo ich die Ostsee wieder verlasse und am Saaler Bodden entlang fahre. Ach was, fahre: Rase! Der Wind bläst kräftig von Westen, und nun bin ich exakt in seiner Richtung unterwegs. Trotz mehr als 65 bereits gefahrener Kilometer habe ich keine Probleme, stets knapp an der Dreißig zu kratzen. Sehr zum Unmut der mir entgegenkommenden, sich gegen den Wind stemmenden Pedalisten…

Ich flitze durch Born und Wieck, vorbei an schicken kleinen Reetdach-Häuschen mit den so typischen bunten Darßer Türen. Unterwegs sehe ich in der Ferne die Meiningenbrücke, Luftlinie vielleicht nur drei Kilometer entfernt. Allerdings liegen Bodstedter Bodden und Prerow-Strom dazwischen, die ich noch umrunden muss, also habe ich noch einige Zusatzkilometer vor mir. Dabei wird es dann auch nochmal ordentlich anstrengend, denn ein, zwei Kilometer muss ich nochmal gegen den Wind fahren. Wie das nach der langen Strecke schlaucht! Irgendwann habe ich Prerow dann aber erreicht und kann von nun an wieder mit vollem Rückenwind auf dem Ostsee-Deich ostwärts nach Zingst jagen, wo meine Runde begann und nun wieder endet.

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Sieht näher aus, als sie ist: Die Meiningenbrücke.

Auf die mehr als neunzig gefahrenen Kilometer schaue ich mit größter Freude zurück: Die Boddenrunde hat immer wieder Abwechslung zu bieten, sie führt über Felder, durch Wälder, mal an der Ostsee entlang, mal am Bodden. Auch und vor allem abseits der Küstenlinie gibt es so viele Orte, Landschaften und Kleinode zu entdecken, dass ein flotter Tagesritt auf dem Fahrrad längst nicht ausreicht, um alles gesehen zu haben. Die Radweg-Ausschilderung ist vielleicht nicht perfekt, aber meist ausreichend und bisweilen sehr hübsch und kreativ umgesetzt. Und auch wenn doch mal an entscheidender Stelle ein Schild fehlt, kommt man mit ein wenig Intuition und grobem Richtungsverständnis stets weiter. Ich kann Ostsee-Urlaubern nur wärmstens empfehlen, den touristisch vollkommen überlaufenen Küstenstreifen zu verlassen und das vorpommersche Hinterland zu entdecken. Es lohnt sich!